Gestern ritt W über der Stadt, auf einem
großen weißen Wolkenpferd, zwischen riesigen weißen Wolkenbergen. Er trug sein
weißes T-Shirt und winkte mir zu und lachte laut. Es klang wie Donner. Seine
blauen Augen blitzten.
Ich sah zu ihm hoch und dachte, wie dumm es von mir war,
das Leben nicht zu feiern. Mir all die Gedanken über eine Zukunft zu machen,
die, mochte sie auch noch so gefahrvoll erscheinen, nichts als ein Geschenk war
voller Möglichkeiten und Intensität. In diesem Moment war ich sicher, auf jeder Welle
reiten zu können.
Ich dachte an I und ihre Unbeirrbarkeit, und an N, die mir am
Vortag gesagt hatte, es ginge nur darum, Schritt für Schritt zu tun. Nach dem
Gespräch mit ihr ging ich unter dem Wolkenhimmel durch die Häuser bis in den Bastelladen,
kaufte mir ein Stück Speckstein und zwei Feilen. Das Tier, das sich in dem
Stein versteckt hält, gibt bis jetzt nur Herzen frei, die sich in Wirbeln auf
seinem zottigen Fell tummeln.
Leben besteht demnach aus Herzschmerz und immer
wieder bei mir ankommen, aus ständigem In-mir-ein-und-aus-mir-ausziehen, sowie aus
dem Worte wechseln und Blicke tauschen über eine Mango-Bergamotte-Eiskugel hinweg.
Allein dieser Erkenntnis wegen wird mein Sohn mich begeistert in die Arme schließen, auf der anderen Seite der
papierdünnen Tür, die ich mit all meinen Erfahrungen marmoriert haben werde.
©Barbara Biegel 2021