Mittwoch, 17. Juli 2019

Der Fuchs





Der Fuchs sieht mich immer so vorwurfsvoll an, besonders dann, wenn mir etwas nicht gelungen ist. Wenn ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich den Job gekündigt habe, einen Job, der gut bezahlt war, keine Vor- und Nachbereitung einforderte, einen Job, in dem ich mir über mehrere Jahre eine anerkannte Position erarbeitet hatte, einen Job, den ich gekündigt habe, weil mein Anspruch so hoch ist und meine Toleranz und Energie erschöpft. Ich sollte kein schlechtes Gewissen deswegen haben. Ich habe gekündigt, weil ich in einem wertschätzenden Umfeld arbeiten will und weil ich denke, dass man eine Verantwortung hat, wenn man mit Menschen arbeitet, besonders mit Kindern.
Der Fuchs ist über die Jahre etwas in die Knie gegangen, sein Karton hat etwas von seiner Spannkraft verloren, vielleicht, weil er seit Jahren meine Kämpfe mit ansehen muss, wenn ich vor dem PC sitze und schreibe. Sicher hat er alle meine Mails mitgelesen und das hat ihm die Knie weich werden lassen. Der Fuchs stemmt sich mit letzter Kraft mit den Vorderpfoten gegen das Resopalweiß des Tischchens. Er ist alt geworden. Ich kenne ihn seit fünf Jahren. Ich weiß nicht, wie alt Füchse werden. Ich erinnere mich an den Moment, als ich ihn aus dem länglichen grünen Umschlag zog, ihn vorsichtig aufklappte, die kleine rote Lasche des Vorderteils am oberen Rand hindurch steckte und er sich aufrichtete, auf seinen Hinterläufen Platz nahm, seinen buschigen Schwanz seitlich um das Hinterteil ringelte und mich mit seinen bernsteinfarbenen Augen durchdringend ansah. Das Weiß seines Bauchfells leuchtete und die schwarze Nase glänzte. Ich mochte ihn gleich und war ganz begeistert von seiner aufrechten Haltung. Über die Jahre hat er sich mir angeglichen, fürchte ich. Vielleicht hat ihn auch der Staub etwas nach unten gedrückt, ich war nie mit dem Putzen hinterher. Ja, wahrscheinlich habe ich ihn vernachlässigt, nicht darauf geachtet, was er mir sagen wollte. Mit der Zeit hat er den Kopf immer weiter nach vorn geschoben, hat immer eindringlicher gestarrt. Habe ich das wahrgenommen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er eines Tages  in die Knie ging und zusammensackte. Ich erschrak und stellte ihn eilig wieder hin, aber er musste von dem Tag an gestützt werden, seine Basis hatte einen Knick bekommen. Seitdem habe ich den Eindruck, er gibt mir an allem die Schuld. Ich hoffe, ich kann das wieder gut machen.