Sonntag, 23. Juli 2023

Fränkisches Freilandmuseum


 

Ich liebe die Malerei an den Fassaden, die Haltung der Bäume, das blankgescheuerte Pflaster, die glänzenden Steinfußböden, die Pflanzen der Bauerngärten, das Dröhnen des Mühlrads.

Ich fotografiere!

Oft Fenster, durch die das Licht einfällt. Fenster, die Ausblicke gewähren auf Felder, Zäune, Dachlandschaften, Höfe. Türklinken und farbige Scheiben. Schablonenmalerei. Stallgewölbe. Steine mit glänzenden Oberflächen, berührt von Füßen, Händen oder Tierkörpern. Ich fotografiere Betten, diese hölzernen rechteckigen Zufluchten mit weißer oder gemusterter Bettwäsche und Kissen. Ich fotografiere Holztische, die beständigen Begleiter über Jahrhunderte, einige mit Sternintarsien in der Mitte.

Weshalb kommen mir beim Betreten mancher Flure und Zimmer die Tränen? „Die wenigsten von uns wurden in Schlössern geboren ...“, so Dieter Wieland. Vielleicht klingt etwas in mir an aus längst vergangenen Zeiten. Mein Vorname kommt mir von zahlreichen Beschriftungen entgegen. Ich bin ein Kind des vorherigen Jahrhunderts. Ich habe ein altes Handwerk gelernt, das Buchbinden. Ich habe Schwalben in Kuhställen nisten und ein- und ausfliegen sehen. Ich habe vor mehr als dreißig Jahren auf diesem Gelände geholfen, in einem Workshop das Gefach eines Gebäudes mit Lehm zu füllen. In meiner Kindheit durfte ich vieles erleben, was hier museal konserviert wird. Heumachen, auf einem Traktor mitfahren, barfuß über ein Stoppelfeld laufen, Obst aufsammeln, Kaninchen füttern. In meinem Rucksack trage ich die ersten ausgesammelten Kornäpfel. Ich liebe die Bodenhaftung der Häuser und die niedrigen Durchgänge. Im Keller meines Elternhauses gibt es sie noch, die niedrigen Türstürze, an denen sich Besucher und Handwerker den Kopf anstoßen. Ich liebe die schlichte Schönheit der Gebrauchsgegenstände, ihre Oberflächen aus Holz, Ton und Glas. Ich bin als Kind auf solch einer schmalen Holzbank gesessen wie auf diesem Gelände. Ich bin in Verbindung mit einem Faden, der ins Heute reicht, atme tief den Duft des Lindenlaubs um mich ein. Wind lässt die Äste über mir rauschen, die kleinen Kugelfrüchte tanzen.

Nach vielen Bildern, nach einem Auf und Ab von Gefühlen, nach Nachdenken über Verlust beim Betrachten von sogenannten Seelenlöchern in der Wand, durch die die Seele das Haus verlassen kann, nach einigen Regentropfen vom zwischendurch grauen Himmel und nach etlichen heftigen Windböen sitze ich wieder neben der alten Steinbrücke über die Aisch. In wenigen Minuten schließt das Museum, die Sonne kommt durch. Silbern glänzt mein Ring auf, während ich schreibe. Herzhaft der Geruch fränkischer Bratwürste, Stimmengewirr. Ich stehe auf und gehe angefüllt mit Bildern durch das große Tor hinaus.