Samstag, 28. Januar 2023

Was mich trägt


Aufgang zum Schreibworkshop

Mich trägt der Gedanke, dass alles mit allem verbunden ist. Eben noch schien auf meinem Cluster alles auseinander zu strömen, doch dann haben sich mehr und mehr Querverbindungen eingestellt, viele Striche haben sich wie von allein mit dem verbunden, was mich trägt. Selbst ganz oberflächlich erscheinende Kreise, in denen ‚Schokolade‘ steht oder ‚Kniegelenke‘, haben ihren Weg gefunden zu dem Eigentlichen. Erst dachte ich, alles laufe auf den Kreis der ‚Resonanz‘ zu, dann ging es doch weiter, zu dem kleineren Nachbarkreis, in dem ‚Liebe‘ steht. Mich tragen Füße, Kniegelenke, Muskeln, Beine etc., ja, auch Schuhe, auf Mutter Erde, im Draußen, zu Bach, Fluss, See, Wald, Baum, Berg und Stein, denen meine Liebe gilt. Sie tragen mich auch zu Menschen mit ihren Blicken, dem Lachen und dem Berührt-Werden. Beides, die Natur und die Menschen, sorgen für Resonanz, bilden den Kreis der Lebenserfahrungen, den vielen kleinen und der einen großen, die alles übersteigt. Und diese Erfahrungen finden Widerhall in der Kunst, auch sie trägt mich, indem ich sie ausübe und sie mir erlaubt, alles zu verwandeln. Sie trägt mich auch, weil sie mich mit anderen verbindet, die sich ebenfalls durch sie ausdrücken, ob durch Filme, Bücher, Bilder oder Gedanken. Begegnungen tragen mich, ob mit mir, mit meinem Körper oder mit den Kindern in meiner Arbeit. Da ist sie wieder, die Liebe.

Ein Geflecht aus Strichen und Kreisen, in dem alles fließt, alles in Bewegung ist, getragen von Liebe. Und weil mir das jetzt zu pathetisch vorkommt, denke ich schnell an den kleinen Kreis ganz rechts, in dem ‚Gummibärchen‘ steht. Ich liebe Gummibärchen, sie tragen besonders weit.

 

 


 

Sonntag, 8. Januar 2023

Was geschieht innerhalb einer einzigen Minute?

 

 

Innerhalb einer einzigen Minute geschieht vieles gleichzeitig. Der Sekundenzeiger springt auf 19 Uhr 38.

Meine Tochter rührt in einer Stadt im Norden ihre Kürbissuppe um. Der vom Topf aufsteigende Dampf hat kleine, feine Locken auf ihrer Stirn festgeklebt. Während sie umrührt, bewegt ein Windstoß den Vorhang in ihrem Zimmer. Sie hat das Fenster zum Lüften geöffnet. Ein mit Stecknadeln an die Tapete gepinntes Blatt Papier mit einer Zeichnung darauf fächelt leicht. Draußen ertönt der Ruf einer Amsel. Am Giebel der Mühle unterhalb unseres Hauses lockert sich eine Glühbirne an der überdimensionalen Weihnachtsbeleuchtung. Innerhalb von Sekunden verlöschen nacheinander alle Lichter. Plötzlich klingelt das Telefon. Jemand hat sich verwählt und entschuldigt sich wortreich. Meine Mutter schaltet wenige Kilometer entfernt den Fernseher ein, weil ihre Lieblingssendung ausgestrahlt wird. Am anderen Ende der Welt schlagen die Wellenausläufer eines Kreuzfahrtschiffs an den Sandstrand einer Küste. Viele Menschen schlafen, viele Menschen essen, viele arbeiten. Viele lächeln. Viele weinen. Bäume atmen ein und aus.

 

 

Zierquittenkernkette zum Zählen der Zeit