Donnerstag, 27. Juni 2019

7 Tage Wegsuche und mehr



Ich war sieben Tage wandern und in Verbindung mit meinen beiden lieben Toten.
Mein Vater lief Mitte der 80er den Karl-Bock-Weg, ein Fernweg, der in Mitwitz bei Kronach begann und immer entlang an der innerdeutschen Grenze bis nach Hof führte, 128km. Diesen Weg gibt es so nicht mehr und es war eine Herausforderung,  zwischen all den neuen Straßen und Wanderwegen dieser Spur zu folgen. Ich lief mit einer aktuellen Karte und dem orangefarbenen Wanderführer meines Vaters, und freute mich immer, wenn ich auf das alte Zeichen stieß, zwei blaue Querstriche auf weißem Grund.
Vieles wird in meinen Roman fließen, der Aufbruch und das In-Bewegung-Sein hat meine Schreibblockade beendet, das macht mich froh und lässt mich weiterarbeiten.
Man muss nur gehen, man muss durch alles hindurchgehen und bewegt dabei alles, was man mit sich trägt, die Trauer, die Liebe, die Wut, die Kraftlosigkeit, die Schwere und die Freude.
Es ging rauf und runter, auf und ab, es gab Höhen mit herrlichen Ausblicken und Tiefen wie das sogenannte Höllental, es gab Begegnungen wie die mit dem Radfahrer, der entlang der Saale bis zu ihrer Mündung in die Elbe unterwegs war, er sagte: Wir haben ein Ziel.
Erst in diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich zögerte, an mein Ziel zu gelangen, an den Ort, an dem ich meinen Sohn das letzte Mal lebend gesehen hatte.
Es gibt davon viel zu berichten, ich bin einem Engel begegnet.


Samstag, 8. Juni 2019

Mein Festnetztelefon





An mein Festnetztelefon

du bist die Nabelschnur zur Welt
du lehnst in deiner Halterung und bist bereit, dich in meine Hand zu legen und an mein Ohr zu pressen
drücke ich deine Tasten, triffst du den richtigen Ton und rufst die Geister an, die sich um Gemeinschaft kümmern
dein grünes Tastensymbol zu berühren, bereitet mir Freude
du sorgst für die Klarheit der Stimmen und für guten Empfang
verlässlich zeigt dein Display die Minuten an, in denen ich verbunden war
du lädst dich auf, um ganz für mich da zu sein

du verhältst dich ruhig, wenn ich in wichtige Gedanken vertieft bin oder Qigong übe
du beantwortest selbständig eingehende Anrufe, wenn ich nicht da bin und lässt mich sogar SMS lesen
dein Klingelton erweckt in mir Herzklopfen
du rufst mich erst, wenn ich die Wohnung betrete und nicht, wenn ich noch auf der Treppe bin
du bist die Verlängerung von Glasfaserkabeln, die Ozeane durchqueren, du stehst in Kontakt mit Satteliten und tust alles, damit ich erreichbar bin
du bringst immer Nachrichten, die mein Leben reicher machen

©Barbara Biegel 2019

Segel setzen





Die Energie stieg auf und diesmal verflüchtigte sie sich nicht wie Dampf, löste sich in den Widrigkeiten des Alltags nicht auf, deren schleichendes Gift sonst dazu führte, dass alles nachgab, erschlaffte und von Absichten nur kaum wahrnehmbare Trübungen übrigblieben, die zusammen mit dem Abwaschwasser im Ausguss verschwanden. Diesmal hielt sich die Energie und führte mir die Schreibhand. Ein Gedichtfilmwettbewerb, zwei Ausschreibungen zum Thema Heimat und Sprache, eine Ausschreibung zum Thema Weltretten, ein Schreiben über meinen Wunsch, meinen Gedichtband zu veröffentlichen, das bald mit etwas Glück aus einer großen Lostrommel gezogen wird sowie eine Bewerbung für ein vierwöchiges Aufenthaltsstipendium flossen aus mir heraus, als wollte etwas mir sagen: Jetzt bist du an der Reihe.

Das blaue Schiff aus Papier mit den aufgemalten Wolken scheint mit frischem Wind in Richtung Fenster zu segeln.