Dienstag, 15. November 2016

Ein Film in der Reihe ‚Unter unserem Himmel‘ über Meerrettichanbau in Franken (von H. Bechert)









Der Film beginnt und ich finde mich in meiner Heimat wieder.
Die Leute sagen ‚Kren‘. Jemand spricht von ‚Tafelspitz‘, gleichermaßen ein Rätselwort, beladen mit zwei Bildern. In mir steigen Erinnerungen auf an den besonderen, nicht alltäglichen Geschmack, die manchmal unerwartete Schärfe und die weiße, leicht flockige Konsistenz. Als käme sie aus einer anderen Welt von jenseits des Meeres, unterschied sich diese Soße von den üblichen braunen, mehr oder weniger sämigen Flüssigkeiten zu Kloß und Fleisch.
Mir Kind schien die Meerrettichsoße etwas Edles zu sein, ein Essen für Könige vielleicht. Sie saßen an langen Tafeln, neben sich ihren Spitz, trugen den Hermelinmantel als Zeichen der Macht und tauchten silberne Löffel in den weißen Schaum.
Die Bauern, die in der Verbundenheit mit ihrer Landschaft gezeigt werden und zu Wort kommen, sind die Weisen des Reichs. Seit langer Zeit haben sie alle Geheimnisse um die Pflanze gesammelt, aufbewahrt und von Generation zu Generation weitergegeben. Woher sie einst gekommen ist, wissen sie nicht. Einer ihrer Namen erzählt vom Meer. Sie leben mit ihr und dem Auftrag, sie veredelt erneut in alle Welt zu verbreiten. Sie sind im Besitz der notwendigen Böden, nicht zu trocken und durchlässig. Im Frühjahr legen sie die schmalen Stangen in die Erde und sehen bis zur Ernte ab Herbst einmal wöchentlich danach. Sie graben den Blattansatz aus und entfernen neue Triebe, damit die Kraft in die Wurzel gehen kann. Zur Erntezeit stehen sie auf dem Feld mit stiller Freude über die wiederkehrenden Wunder der Natur. Wieder und wieder bücken sie sich über die langen Reihen in einer nicht endenden Verbeugung. Die beladenen Anhänger füllen die Scheunen voller Haufen schwarzen, zottigen Gewirrs. Davor, in Licht und Luft an der Grenze zur Lagerstätte des dunklen Wesens im Inneren, sitzen auf Stühlen Männer und Frauen und legen mit Schabemessern die helle Haut des Meerrettichs frei. Bei jeder Mahlzeit nehmen sie Teile der Pflanze zu sich und danken ihr für die heilkräftige Wirkung. Zum Reiben allerdings, wenn es in großem Rahmen geschieht, ziehen sie Gasmasken über die ruhigen Gesichter, um ihre Tränen für andere Ereignisse aufzubewahren.

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