Sonntag, 9. Juli 2017

Das Leben des Steins

Der Stolperstein für meine Urgroßmutter Sophie war am 12. Juni gesetzt worden. Ich war nicht dabei gewesen, weil unser Plan war, uns als gesamte Familie an einer Gedenkfeier zu versammeln, im Sommer oder Herbst. Aber die Frau, die für mich viel recherchierte, war dabei gewesen an jenem Vormittag und hatte ein Foto gemacht. Eine Rose liegt neben dem Messingviereck, die restlichen Stücke des Sechseckplastersteins rahmen, in den Beton eingefügt, den Stein für Sophie ein.


Gestern, am 8. Juli, schickte mir meine Hamburger Freundin ein aktuelles Foto und schrieb dazu: "Ich habe den Stein besucht und es gibt ihn noch, aber ich glaube, er hat Schreckliches gesehen."
Ich selbst hatte in den Medien die Bilder der Straßenschlachten anläßlich des G20 Gipfels verfolgt und konnte mir den Anblick erklären: Der Stein ist angeschwärzt von Aschespuren, das Messing ist stumpf und an den Seiten verkratzt.
Was hatte der Stein erlebt in der Nacht?
Um 1939 hatte Gewalt und Entrechtung zum Tod vieler Menschen geführt. Nun war eine Minderheit ebenfalls gewaltsam und zerstörerisch unterwegs gewesen.
Es müssen andere Wege gegangen werden, um die Welt eine bessere zu machen.


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