Montag, 30. Dezember 2013

Blancanieves

Seit ich den Film "Blancanieves" im November in Berlin sah - ich war dort zu Besuch und wir gingen ins nächstbeste Programmkino in den zeitlich am besten passenden Film (was für ein Zufall!) - hat mich der Film beschäftigt.
Vorgestern habe ich ihn zum zweiten Mal gesehen - und wieder wurde ich in seinen Bann gezogen.

Wie vielfältig doch die Reaktionen darauf!
Während mich das Vermögen des Regisseurs begeistert, mit den Mitteln des Schwarz-Weiß und des Stummfilms so archetypische Bilder zu erzeugen, dass sie an universelle Ängste und Gefühle rühren und gleichzeitig die Hoffnung auf  Unschuld, Wahrheit, Identität, Liebe, Entkommen aus Isolation zu Glanz und Erfolg wecken, sehen Andere mehr das Böse, das fehlende Happy-End, die Ausweglosigkeit und Starre.
Ich bin glücklich über die Potentiale der Kunst und das Zusammenspiel von Bild und Ton.
Im Nachhinein entdecke ich immer mehr Details, z.B. die Musterung des kleinen Halstuchs, das der Hahn Pepe trägt, ein typisches Flamenco-Stoffmuster, das erst am Hals des Tiers, dann auf der Bratenplatte und zuletzt am Grab zitiert wird, was gleichzeitig den Endpunkt markiert, an dem der Tanz aus dem  Leben des Mädchens für immer verschwindet.
Viele solcher Details gibt es, die ich gar nicht alle aufzählen kann...
Am verblüffendsten und bereichernsten war die Interpretation meines Sohnes, der die deutlichen Parallelen zu unserer Zeit sah, nicht zuletzt gespeist aus den Erfahrungen seines Auslandsjahrs auf den Philippinen: wie oft befinden sich Kinder in existenziell bedrohlichen Abhängigkeiten und haben keine Chance, sich daraus zu befreien.
Auch der Vertrag, mit dem der Geschäftemacher  "Schneewittchen" in ihrer Bildungsferne ausnutzt, die nicht lesen und schreiben kann, und sie täuscht und betrügt, damit sie ihre Unterschrift unter das Dokument setzt und sich ihm ausliefert, führt wie in  neuzeitlichem Machtungleichgewicht dazu, dass sie als Frau ihren Körper verkauft und sich dann benutzen lassen muss.
Noch nie ist die Geschichte von Schneewittchen so erzählt worden. Danke!



trailer

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen