Mittwoch, 25. Dezember 2013

Die Amsel


Amsel





Zweiter Weihnachtsfeiertag, halbsechs Uhr morgens, ich wache auf, weil vor dem Fenster eine Amsel singt.
Über eine halbe Stunde liege ich wach und höre ihrem Gesang zu, bis ich anfange, mich zu ärgern, dass ich nicht gleich aufgestanden bin, um eine Tonaufnahme zu machen.
Wann wird es in diesem Winter wieder so mild sein, dass früh die Vögel singen?
Wann wird es gleichzeitig so still sein wie an diesem Feiertag, an dem um diese Zeit Autos nur einzelne Ereignisse sind?
Und was für ein Gegensatz zum sommerlichen Vogelkonzert, diese einsame Stimme, die lediglich mit einer weit entfernten anderen Amsel Rede und Antwort flötet.
"Steh auf! Vielleicht ist es noch nicht zu spät...", denke ich, bleibe aber liegen, inmitten dieser Stimmung - und in der Wärme des Bettes.
Als die Amsel nach weiteren zehn Minuten immer noch zu hören ist, springe ich auf und hole mein Aufnahmegerät, programmiere das richtige Mikrofon, stelle auf Aufnahme und lege es am Balkontisch ab.
Mit offenen Ohren liege ich anschließend wieder im Bett, höre den ersten Bus des Tages an und abschwellen, dann einige Autos und schließlich den langen akustischen Vorgang eines Flugzeugs, während die Amsel weiter zu hören ist, aber sie hat den Standort gewechselt und ist leiser geworden.
Über eine Stunde liegt der Recorder im Freien, nimmt Regentropfen auf, die am Balkongeländer mit einem hellmetallischen Ton abprallen und von Ahornblätten auf Ahornblätter fallen, erste menschliche Geräusche im Haus wie Hochziehen von Rollos, Schritte vom Weg und den Gesang der Amsel - ein Klangbild vom Erwachen an einem 2. Weihnachtstag.

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