Dienstag, 5. Februar 2019

Wunsch







Ohnmächtig zu sein, welche Wohltat! Der Ohnmacht nachgeben zu müssen, sich ergeben hineinziehen zu lassen in das große Schwarz, nichts mehr zu tun zu haben, wie erstrebenswert!
In einem Harry-Potter-Film reiht sich ein Ohnmachtsanfall an den anderen. Immer wieder liegt der Kopf des Helden auf harter Erde, in regenfeuchtem Gras, auf Zugpolstern gebettet oder in Krankenzimmern. Fremde, hilfreiche und besorgte Gesichter beugen sich über ihn, aber erst, wenn er genug geruht hat, wenn der Körper sich regeneriert hat, niemals vor der Zeit - man muss ihn schonen, um die erneut sich sammelnde Kraft nicht zu schmälern oder zu beschädigen, man muss ihn mit Samthandschuhen anfassen, nur ausgeruht und entspannt darf der Held die Augen öffnen, die kleinen Schrammen im Gesicht tun nichts zur Sache - erst dann ist er bereit zu neuen Aufgaben und Abenteuern.

So ein Leben wünsche ich mir auch, genauer: dass sich die Arbeit von selbst tut während meiner langen Ohnmachten. Nur zum Lesen, Essen und Spazierengehen will ich erwachen, in der Zwischenzeit macht sich die Arbeit von selbst, mein Buch stellt sich fertig (ja, es ist schnurrend und mit glänzendem Fell aus dem Lektorat zurück!), es gestaltet selbständig Satz und Cover und gibt sich erfolgreich und mit den richtigen Keywords heraus, und ich darf auftauchen aus meinem sanften Schweben zum Beifall der Leserschaft, der wie ein warmer Regen auf mich einprasselt.
Jemand hat meine etwas zerzausten sozialen Beziehungen gepflegt, hat sorgfältig die Kokons aus liebevollen Worten neu aufgewickelt, hat meine faltige Stirn wieder glattgestrichen, hat umgeworfene Frühstückstische auf die Füße gestellt und von Neuem mit Köstlichkeiten bedeckt. Deshalb erwache ich endgültig, schlage die Augen auf und nicke selig zur Freude aller Umstehenden, nehme ein paar Streicheleinheiten entgegen, räkle mich und peile entspannt die wenigen, leicht lösbaren Aufgaben an, die zu tun noch übrig sind.

©Barbara Biegel 2/2019


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