Dienstag, 9. Juni 2020

Nebel



„Hey, du dicker Nebel“, rief ich, „ja, du, mach dich gefälligst vom Acker! Mich kommt keiner mehr besuchen, all meine Freunde verirren sich in deinem Weiß. Sie finden weder den Weg aus dir heraus, noch den zu mir. So dicke Nebel, wie du es einer bist, sind nicht mehr angesagt. Mag sein, im Herbst, aber doch nicht Anfang Juni. Entweder du verdünnisierst dich oder ich mach dir Beine!“ Der Nebel waberte glucksend: „Kannst es ja versuchen. Aber ich frag mich, was du willst. Ich bin das Beste, was dir passieren konnte. Ich hab ein bisschen bei deinen Freunden aufgeräumt.“ „Das kannst du ruhig mir überlassen“, ich war empört, „meine Freunde suche ich mir selber aus.“ „Ach was“, kam es lässig zurück, „was bekommst du schon hin? Du hast jede Menge anderer Baustellen.“ „Auch die lass meine Sorge sein!“, mir reichte seine anmaßende Art, „verzieh dich endlich!“ „Du hältst dich wohl für das Zentrum des Universums?“, fragte der Nebel gedehnt, „Komm lieber wieder runter auf deinen grauen speckigen Teppich und schau mal genauer hin. Ich bin weiß und schön, die Hasen können sich unter meiner Decke vor den Greifvögeln verstecken. Ich dämpfe Autogeräusche, ich befeuchte das Gras. Sei doch froh, dass ich unter deinen Freunden aussiebe, die, die übrigbleiben, halten dich aus. Die anderen hätten dich nur abgelenkt.“ Ich war sprachlos. „Außerdem“, sagte der Nebel, „halte ich jede Menge weiterer Leute auf Abstand, damit du dich um dein Schreiben kümmern kannst. Corona und ich, wir waren uns einig, etwas Alleinsein kann dir nur gut tun.“


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