Sonntag, 8. März 2020

8. März




Wir blickten zu dritt in den Himmel über der Stadt, so, als ob noch etwas fehlte, ein letztes Zeichen, das uns erlaubte, bestärkte und den Impuls verlieh, der Stadt den Rücken zuzukehren, sie zu verlassen. „Solche Zeichen kommen doch immer vom Himmel, oder?“, fragte Ben in die Stille hinein. „Kann sein, denk schon“, murmelte Tanga. Ich sagte nichts. Grau und fleckig lag der Himmel über der Stadt wie ein schmutziges Tuch. Wir konnten uns nicht trennen, das fühlten wir deutlich, es hatte keinen Blick zwischen uns für diese Erkenntnis gebraucht. Uns allen fielen Abschiede schwer, zu viele hatten wir schon hinter uns, und jetzt, bei dem ersten gemeinsam geplanten, um unsere Haut zu retten, klebten wir an der verdammten Stadt wie Fliegen am Leim. „Zum Donner!“, stieß Ben hervor, „Los, du mistiges Zeichen, komm, wir brauchen dich!“ Nichts geschah, nur ein müder Wind verschob die Flecken am Himmel langsam und unendlich zäh nach Ost. „Lass uns einfach so gehen, mir wird kalt“, versuchte es Tanga, aber ihre Stimme, die zu anderen Anlässen so kräftig sein konnte, war dieses Mal dünn und energielos, das letzte Wort lief mit einem Flüstern aus, als ob sie selbst an diesem Vorschlag zweifelte. „Nur noch ein bisschen!“ Mein Einwand war zu flehend herausgekommen. Ich hasste mich dafür. Schließlich war ich die treibende Kraft gewesen war ihnen mit meinem Gejammer in den Ohren gelegen und hatte ihnen die Augen geöffnet, hatte sie die Welt, in der sie glücklich gewesen waren, anders und neu sehen lassen, hatte das Nachteilige so groß werden lassen, bis sie bereit waren, mir zu folgen. Denn ich wollte ungern allein sein, wenn ich mich von allem löste, was mir einmal etwas bedeutet hatte. Ich wusste, ich war feige.

Wer möchte die Geschichte weiterschreiben? Über Zuschriften per mail freue ich mich!

©BarbaraBiegel2020


Heute nur Frauen:
Hier noch ein Blick in den Blog von Margrit Irrgang. Zum 8. März hat sie recherchiert und macht uns Geschenke.
https://margrit-irgang.blogspot.com/

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