Donnerstag, 19. März 2020

In der Krise


Guten Morgen, mein Kind!

In deiner Stadt ist jetzt Ausgangssperre. Ich sehe dich schon nichtsahnend mit ein paar Leuten um einen Mammutbaum tanzen, die Polizei kommt, jemand gibt Widerworte, die Nerven liegen blank und du musst die gesamte Biegsamkeit und Flinkheit deines Körpers aufbringen für eine glücklich verlaufende Flucht.

Lass dich von den Bäumen unterstützen, mein Kind. Niemand wird dich hinter ihren dicken Stämmen sehen können. Selbst bei der Gesangslehrerin bist du sicher. Auch, wenn sie all das von dir verlangt, was du mir schriebst, eine Aufzählung mir unmöglich erscheinender Forderungen, geht es doch darum, so leise zirpen zu lernen wie ein Rotkehlchen und so laut zu schmettern wie eine Nachtigall. Denn auch die Vögel werden auf deiner Seite sein, triffst du ihren Ton.

Also wird alles gut, was dich betrifft - und auch mich.

Hier gibt es Leute, die sich an keine Regeln halten und Verschwörungstheorien anhängen, es macht mich wütend und traurig. Und ich sehe schwarz für deinen lieben Besuch, sie wollen keinen mehr rein lassen in ihre schöne Stadt. Man muss abwarten.

Schön ist, mit Leuten zu telefonieren, die meiner Meinung sind. Gestern habe ich bei einer Mitautorin angefragt, ob sie meine Testleserin sein will - sie antwortet, dass sie keine Zeit hat, weil sie auf der Intensivstation am Klinikum arbeitet und es mit der schlimmsten Lage seit dem 2. Weltkrieg zu tun hat. Wenn auch hier mal um 21 Uhr von den Balkonen geklatscht werden sollte für die Leute im Gesundheitswesen, werde ich mich gerne anschließen.

Naja, die Sonne scheint, besonders bei dir, gestern am Berg wars auch schön, die Worte fließen, was will ich mehr?

Liebe Grüße, Maria

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